Das Beinahe-Perpetuum-Mobile ist sehr viel älter, als die meisten von uns glauben. Mehr als zwei Jahrhunderte trennen die Gegenwart von jenem Jahr, als ein Mann namens Abraham Louis Perrelet, von dem es heißt, er habe sich nach nur 15tägiger Uhrmacherlehre selbst zum Meister erkoren, eine wahrhaft revolutionäre Taschenuhr vorstellte. Die Kalender zeigten 1770.

Taschenuhrwerk mit Rotor, A. L. Perrelet zugeschrieben

Taschenuhrwerk
mit Rotor,
A. L. Perrelet
zugeschrieben

Das Kuriosum benötigte keinen Schlüssel zum Spannen der Zugfeder. Solches erledigte eine Schwungmasse, die sich während des Gehens rhythmisch auf und ab bewegte. Ein intelligentes Zusatzwerk wandelte die so erzeugte kinetische Energie in ein Energiepotential um.

Doch damit nicht genug. Nahezu gleichzeitig präsentierte Perrelet eine weitere Konstruktion, über deren Werk eine segmentförmige Masse unbegrenzt und nahezu lautlos rotierte. Dabei versorgte sie den Energiespeicher mit Nachschub. Nach heutigem Wissensstand war damit prinzipiell alles erfunden, was heute unter das Schlagwort Aufzugsautomatik für mechanische Uhren zu subsumieren ist. Ganz euphorisch lobte beispielsweise Professor Horace Benédict de Saussure von der Genfer "Société des Arts" im Jahr 1777 die Perrelet'schen Konstruktionen.

Offensichtlich hatte er es versäumt, diese im Alltagsleben zu testen. Sicher in Jacke, Weste, Hose oder am Gürtel distinguierter Herren verstaut, fehlte den Automatik-Taschenuhren oftmals das funktionsbestimmende Maß an Bewegung. Mit ähnlichen Problemen hatten auch die feinen "Perpetuelles" des Pariser Großmeisters Abraham-Louis Breguet zu kämpfen. Damit bestätigte sich, daß Automatik und Taschenuhr eigentlich nicht zusammenpassen. Der Selbstaufzug benötigte jenes Quantum an Bewegung, dem üblicherweise nur am Handgelenk befestigte Zeitmesser ausgesetzt sind.

So betrachtet, mag es nicht verwundern, daß die Stunde der Automatik erst im Jahrhundert der Armbanduhr schlug, nämlich dem zwanzigsten. Zu Anfang, genauer im Jahr 1917, äußerte der Hamburger Professor Dr. H. Bock noch die Hoffnung, daß die "Modenarrheit, die Uhren an der unruhigsten Körperstelle, im Armbande, zu tragen, bald wieder verschwindet." Zum Glück ging sein Wunsch nicht in Erfüllung. Im Gegenteil: Nach den Damen fand auch das männliche Geschlecht zunehmend Freude daran, seinen Zeitmesser an den Unterarm zu schnallen.
 

Armbanduhrwerk mit Hammeraufzug von John Harwood

Armbanduhrwerk
mit Hammeraufzug
von John Harwood

1922 präsentierte Léon Leroy einige Armbanduhren, deren Gehäuse ein rundes Werk mit spitzovaler Schwungmasse beherbergte. Vom Serienprodukt war diese Konstruktion indessen noch weit entfernt. Dazu brauchte es eines John Harwood, der sich ab 1922 mit der Entwicklung einer Automatik befaßte. Zwei Jahre später hatte er sein Ziel, ein Patent für einen automatischen Aufzug, erreicht. Bis die ersten Serien-Rohwerke vom Band liefen, gingen weitere Jahre ins Land. 1931 war der Traum schon wieder ausgeträumt.
 

Armbanduhr mit Rotoraufzug von Rolex

Armbanduhr
mit Rotoraufzug
von Rolex

Ein Jahr später waren der Kulmbacher Hans Wilsdorf und seine Rolex Watch Company zur Stelle. Ihre "Perpetual" mit Rotoraufzug verkörperte einen echten Meilenstein, widerlegte viele Automatik-Vorurteile im Handumdrehen. 1942 beseitigte der Rohwerkefabrikant Felsa mit dem "Bidynator" das Manko des nur einseitig wirkenden Rotors. Schließlich eliminierte Eterna durch die Verwendung eines Miniatur-Kugellagers ab 1948 verschiedene Probleme bei der Rotorlagerung. Dem Welterfolg des automatischen Aufzugs stand technisch also beim besten Willen nichts mehr entgegen.

In den fünfziger Jahren förderten Gangreserveanzeigen das Vertrauen in die Effizienz automatischer Aufzugssysteme. Die Erfindung des in die Werksebene integrierten "Mikrorotors" leistete ab 1954 einen wichtigen Beitrag zur schrittweisen Reduzierung der Bauhöhe bis auf 2,3 mm. Auch die gewaltige Quarzuhren-Revolution in den siebziger Jahren hinderte ambitionierte Uhrenhersteller nicht daran, neue, teilweise ausgesprochen interessante Automatik-Kaliber zu entwickeln.

Nicht zuletzt deshalb kann der automatische Aufzug als die mit Abstand erfolgreichste und langlebigste "Komplikation" mechanischer Armbanduhren gelten. Völlig zu Recht übrigens, denn die Synthese aus Tragekomfort, Zuverlässigkeit, energetischer Anspruchslosigkeit und liebenswürdigem Ticken besitzt einen ganz besonderen Reiz. Immerhin nimmt er seiner Besitzerin oder seinem Besitzer das tägliche Spannen der Zugfeder per Energieumwandlung ab.

Bedingt durch die Schwerkraft strebt die Schwungmasse, heute meist ein unbegrenzt drehender Rotor, nämlich immer dem Erdmittelpunkt zu. Die dabei entstehende Bewegung leitet eine kleine, mit ihr gekoppelte Getriebekette ans Federhaus. Je nach Konstruktion besteht letztere aus zwei Komponenten. Wechselgetriebe kommen nur in Automatik-Armbanduhren mit beidseitig wirkendem Aufzug vor.
 

Explosionszeichnung eines Automatikwerks von Patek Philippe

Explosionszeichnung eines Automatikwerks
von Patek Philippe

Im Laufe der Jahrzehnte wurden höchst unterschiedliche Systeme entwickelt. Ihre Aufgabe ist es, die Drehrichtungen des Rotors zu polarisieren. Das daran anschließende Reduktionsgetriebe besitzt jeder Selbstaufzug. Es transformiert die schnellen Bewegungen der Schwungmasse in langsamere mit einem höherem Drehmoment zum Spannen der Zugfeder. Damit letztere bei Vollaufzug nicht abreißt, ist ihr äußeres Ende nicht direkt am Federhaus befestigt. Es hängt vielmehr an einer Schleppfeder, Gleitzaum genannt, die nach Erreichen des vorgegebenen Spannungsmaximums an der inneren Wandung des Federhauses entlang rutscht.

Ob Automatik-Uhren mit bidirektionalem Aufzug tatsächlich effizienter arbeiten als solche mit nur einseitig arbeitendem, darüber streiten sich die Gelehrten seit Jahrzehnten. Unumstößliche Tatsache ist jedoch, daß jede Form von Automatik ein gerüttelt Maß an Bewegung benötigt, um die ihr zugedachte Aufgabe zuverlässig ausführen zu können. Neben Komfort und Umweltfreundlichkeit bieten Automatik-Armbanduhren noch einen weiteren, keinesfalls zu unterschätzenden Vorteil: Sie sind grundsätzlich ganggenauer als Modelle mit Handaufzug, weil ihre regelmäßig nachgespannte Zugfeder ein wesentlich konstanteres Drehmoment aufweist. Und das wirkt sich günstig auf die Amplitude des Schwingungssystems aus.